Sequence of Return Risk – das unterschätzte Risiko im Ruhestand
Stell dir vor, du hast CHF 1,5 Millionen angespart – dein persönliches Freiheitspolster. Du möchtest davon leben und planst, jedes Jahr CHF 60 000 zu entnehmen. Auf dem Papier klingt das solide. Doch ob dein Geld wirklich 30 Jahre reicht, hängt nicht nur von der durchschnittlichen Rendite ab, sondern davon, in welcher Reihenfolge die Renditen eintreffen. Das ist das Sequence of Return Risk – auf Deutsch: das Risiko der Renditereihenfolge.
Was bedeutet Sequence of Return Risk für die Entnahmestrategie konkret?
Zwei Anleger haben beide CHF 1,5 Millionen investiert, erzielen im Schnitt 5 % Rendite pro Jahr und entnehmen jedes Jahr CHF 60 000. Die eine Person erlebt in den ersten Jahren gute Börsenjahre, die andere schlechte. Beide haben am Ende die gleiche Durchschnittsrendite – aber ihr Vermögen entwickelt sich völlig unterschiedlich.
Der Grund: Rückschläge am Anfang der Entnahmephase wiegen viel schwerer als Verluste am Ende. Wenn dein Portfolio in den ersten Jahren fällt und du gleichzeitig Geld entnimmst, verkaufst du mehr Anteile zu tiefen Preisen. Diese fehlen später, wenn der Markt wieder steigt – dein Kapital erholt sich nie vollständig.
Ein einfaches Beispiel – gleiche Renditen, anderes Ergebnis
Stell dir zwei Anleger vor: Anna und Beat. Beide starten mit CHF 1,5 Millionen und möchten davon leben. Sie entnehmen jedes Jahr CHF 60 000, also 4 % ihres Vermögens. Beide investieren gleich – breit diversifiziert, mit denselben Renditen über zehn Jahre. Der einzige Unterschied, ist Reihenfolge der Renditen ist umgekehrt. Im Durchschnitt erzielen beide rund 3 % pro Jahr, doch das Endergebnis könnte unterschiedlicher kaum sein.
Anna hat Glück mit dem Timing. Gleich in den ersten Jahren läuft der Markt hervorragend: +20 % im ersten Jahr, +10 % im zweiten, +5 % im dritten. Ihr Vermögen steigt trotz der jährlichen Entnahmen zunächst deutlich über 1,7 Millionen. Wenn später schwächere Jahre kommen – etwa Verluste von –10 % oder –20 %, hat sie schon genug Puffer aufgebaut. Nach zehn Jahren bleiben ihr noch rund CHF 1,26 Millionen.
Beat erlebt exakt dieselben Renditen, einfach in umgekehrter Reihenfolge. Er startet also in einem schwierigen Marktumfeld: –20 %, –10 %, –5 % in den ersten Jahren. Und genau dann entnimmt er seine CHF 60 000 pro Jahr. Dadurch muss er bereits früh Aktien zu tiefen Kursen verkaufen, um seine Ausgaben zu decken. Wenn die Märkte sich später erholen, ist sein Kapital deutlich kleiner – und der Zinseszinseffekt wirkt schwächer. Nach zehn Jahren bleibt ihm nur noch etwa CHF 1,03 Millionen. Beide haben also die gleiche Durchschnittsrendite, aber Anna besitzt am Ende über CHF 200 000 mehr als Beat –ein Unterschied allein durch die Reihenfolge der Renditen.
Dieses Beispiel zeigt eindrücklich, warum das Sequence of Return Risk so gefährlich ist: Nicht die langfristige Durchschnittsrendite entscheidet über den Erfolg, sondern wann die Gewinne und Verluste auftreten, wenn man regelmässig Geld entnimmt.
Warum dieses Risiko oft unterschätzt wird
Viele Finanzplaner und Anleger rechnen mit Durchschnittsrenditen – etwa „5 % pro Jahr über 30 Jahre“. Aber der Aktienmarkt liefert keine lineare Rendite. Er schwankt stark und genau diese Schwankungen sind entscheidend, wenn du Kapital entnimmst. Während der Ansparphase sind Schwankungen sogar dein Freund: Du kaufst in schwachen Jahren günstig nach. Aber sobald du vom Vermögen lebst, kehrt sich der Effekt um. Jetzt verkaufst du in schwachen Jahren – und das verstärkt Verluste.
Warum das besonders für Schweizer relevant ist
In der Schweiz hängt die finanzielle Unabhängigkeit stark vom Verhältnis zwischen Säule 3a, Pensionskasse und freiem Vermögen ab. Sobald du von deinem privaten Vermögen lebst – also 3a-Guthaben beziehst oder freies Kapital nutzt – bist du diesem Risiko direkt ausgesetzt.
Besonders gefährlich wird es, wenn du:
- eine hohe Aktienquote hast,
- keine stabilen Einkünfte (z. B. AHV, Rente oder Teilzeiteinkommen) beziehst,
- und in den ersten Jahren nach der Pensionierung eine Börsenkorrektur erlebst.
Viele FIRE-Anhänger unterschätzen das: Sie planen mit der „4 %-Regel“, die auf US-Daten basiert –doch dort sind Märkte, Steuern und Sozialversicherungen anders strukturiert als in der Schweiz. Hier sollte man konservativer planen und flexibler entnehmen.
Wie man das Risiko bei der Entnahmestrategie mindern kann
1. Flexible Entnahmestrategie
Starre Entnahmen – also jedes Jahr gleich viel Geld – sind gefährlich. Besser: dynamisch anpassen. In schlechten Jahren etwas weniger entnehmen, in guten Jahren etwas mehr. So gibst du deinem Portfolio Zeit zur Erholung.
Beispiel: Wenn dein Portfolio fällt, reduzierst du die Entnahme von CHF 60 000 auf CHF 55 000. Nach einer Erholung kannst du wieder erhöhen. Kleine Anpassungen verlängern die Haltbarkeit enorm. Das bedeutet, dass du die Fixkosten tief halten solltest.
2. Sicherheitsreserve in Cash oder Obligationen
Ein klassischer Ansatz ist der „Cash-Bucket“:
- 3–5 Jahre Lebenshaltungskosten auf einem risikoarmen Konto (z. B. Sparkonto oder Geldmarkt-ETF oder andere cash-like-items)
- Der Rest bleibt langfristig investiert.
So musst du in Krisenjahren keine Aktien verkaufen, sondern lebst temporär von deinem Liquiditätspolster. Das senkt das Sequence of Return Risk massiv – weil du Zeit gewinnst.
3. Diversifikation und Währungsabsicherung
Ein global diversifiziertes Portfolio mit CHF-Hedging reduziert Schwankungen in CHF. Gerade wenn du in USD oder EUR investierst, kann der Wechselkurs einen grossen Unterschied machen. Wenn der USD fällt und du davon lebst, kann das die Entnahmen zusätzlich belasten. Hedging-Strategien (z. B. über CHF-gehedgte ETFs) glätten den Verlauf und mindern das Risiko. Aber Hedging ist teuer und lohnt sich oft nicht. Man muss immer abwägen, ob sich dies lohnt.
4. Staffelung der Entnahmequellen
Wer mehrere Konten oder 3a Säulen hat, kann gezielt planen:
- zuerst steuerlich optimale Quellen (z. B. Säule 3a-Tranchen gestaffelt beziehen),
- dann PK-Kapital,
- erst zuletzt freies Vermögen.
So minimierst du Steuern und kannst in den ersten Jahren gezielt konservative Mittel anzapfen, während die Aktienanlagen Zeit haben, sich zu erholen.
5. Teilweise Absicherung mit Obligationen oder Defensive Assets
Zwar bringen Schweizer Obligationen historisch wenig Rendite, aber sie stabilisieren das Portfolio. Ein Anteil von 20–30 % an kurzlaufenden CHF-Bonds oder defensiven Mischfonds kann helfen, Crashs abzufedern. Gerade in der Entnahmephase zählt das Verhältnis von Rendite zu Volatilität mehr als die absolute Performance.
Fazit: Rendite ist wichtig – Reihenfolge ist entscheidend
Das Sequence of Return Risk ist eines der am meisten unterschätzten Risiken der finanziellen Freiheit. Es entscheidet, ob dein Kapital 30 Jahre reicht – oder 15.
Die wichtigsten Erkenntnisse:
- Nicht der Durchschnitt zählt, sondern die Reihenfolge.
- Rückschläge am Anfang der Entnahmephase sind gefährlich.
- Flexibilität, Cash-Reserven und Diversifikation sind die besten Gegenmittel.
Wir helfen Dir das ganze zu planen. Möchtest du mehr wissen, dann setze Dich auf die Warteliste unserer Kurse bei Stuzz.
Stuzz
Stuzz hilft dir deine Finanzen selbst in die Hand zu nehmen. Mit fundiertem Wissen, unabhängiger Beratung und praxisnaher Ausbildung hilft Stuzz dir, deine Finanzen selbstbewusst in die Hand zu nehmen. Am liebsten arbeitet Stuzz dort, wo gute Informationen auf echte Klarheit treffen – und manchmal auch bei ☕️ und guter Musik.
Stuzz.ch